Christian Bischof
Bikepacking bedeutet für mich das Fahrrad-Reisen auf fast allen möglichen Straßen/Wegen und das mit sehr wenig Gepäck, wobei sowohl die Routenplanung als auch der Übernachtungsplatz spontan ausgewählt wird. Es ist eine wunderbare Art zu Reisen. Man kann Natur und Kultur eines Landes intensiv erleben, interessante Leute treffen und gleichzeitig an seine Grenzen der persönlichen Komfortzone ertasten.
Fahrrad und Gepäck
Mir erschien das Bombtrack Hook 1 als ein idealer Partner für diese Reise. Es kommt mit einem sehr robusten CroMo Stahlrahmen, tollen Clément cyclocross Reifen (ausgezeichnete Rolleigenschaften auf Asphalt und Schotter), robuster SRAM Gangschaltung (vorne :50/34, hinten: 11-32) and einem sehr komfortablen aber zugleich auch Renn-ähnlichen Rahmengeometrie. Mein Ziel war so viele Schotterwege wie möglich zu befahren, aber zwischendurch auch (zwecks besserer Streckeneffizienz und Bequemlichkeit) asphaltierte Straßen auszuwählen.
Um eine unabhängige Stromversorgung dabei zu haben, montierte ich ein flexibles Solarpanel. Damit konnte ich den mitgelieferten Akku und damit wiederum mein Fairphone aufladen. Ich konnte es je nach Sonnenstand und Fahrtrichtung vorne oder hinten am Gepäck anbringen. Das Fairphone habe ich hauptsächlich für die Navigation mit Locus Map und zum Fotografieren verwendet.
In die fünf Apidura bikepacking Taschen und die eine Rixen&Kaul Oberrohr-Tasche verstaute ich mein ganzes Gepäck. Einen auf lange Strecken unbequemen Rucksack konnte ich mir so ersparen. Mein ganzer Krempel ist in folgendem Bild ersichtlich:
Das Gewicht des Gepäcks (ohne Essen und Trinken) war ungefähr 11kg, was ungefähr dem Gewicht des Bikes entspricht. Da die Taschen sehr dicht am Rahmen befestigt sind und zudem relativ wenig wiegen, resultiert dieser Aufbau in einem sehr komfortablen, bequemen Fahrvergnügen mit großartiger Manövrierbarkeit und Wendigkeit (was die typischste Komponente von bikepacking ist).
Da es meine erste größere Fahrradreise war, hatte ich sowohl das Fahrrad als auch die Taschen erst kurz vor der Reise gekauft. Eine etwas waghalsige Angelegenheit angesichts der langen bevorstehenden Reise. Glücklicherweise haben aber alle Komponenten sehr gut zusammengespielt, so dass ich am Ende der Reise diesen Aufbau jedem weiterempfehlen kann. Das Fahrrad lief hervorragend und ruhig, die Rahmengeometrie hat perfekt gepasst und die Taschen haben alles trocken gehalten (auch bei mehreren Tagen Regen).
Die ausgewählte Route
Ich habe in den letzten fünf Jahren in Hannover gelebt und Marseille hörte sich als Ziel ganz gut an mit warmen Temperaturen und dem Mittelmeer. Die direkte Route war somit relativ human was Höhenmeter anbelangt, da diese oft an größeren (Rhone, Mosel) oder auch kleineren Flüssen/Kanälen entlangführte. Das hat mir genug Zuversicht gegeben die Route wirklich spontan und von Tag zu Tag mittels offline „LoMaps“ Karten der Locus Map App zu planen.
Auswählen der Straßen und Wege
Für die ganze Route habe ich LoMaps Karten verwendet, die meinem Zweck wunderbar dienten:
- Die allermeisten ausgeschilderten und offiziellen Fahrradrouten waren in der Karte verfügbar und speziell markiert, sogar nach Kategorie unterschiedlich markiert (lokal, regional, national).
- Ein sehr ansprechendes, klares und übersichtliches Kartenlayout mit genügend großer Schrift und Kartensymbolen.
- Die Karte lädt relativ schnell wenn man zoomt
- Die enorme Detailvielfalt der OpenStreetMap Datenbank ist in den Karten direkt verfügbar (alle möglichen Straßentypen, Waldtypen, Stromkabel, Wasserwege, Gebäudekontouren, sowie weitere verschiedene POI’s).
- Höhenlinien fügen der Karte noch das Sahnehäubchen auf, den diese sind für Wanderer/Fahrradfahrer unerlässlich für das Abschätzen der Geländesteilheit.
Die Locus Map App selber war auch ein treuer und guter Begleiter. Es erlaubte mir den Homescreen der App nach meinen Bedürfnissen anzupassen für schnellen Zugang zu häufig verwendeten Features/Karten-Werkzeugen. Ich verwendete die im obigen screenshot abgebildeten shortcuts. Da ich Strom sparen wollte und deshalb das live recording der GPS-Positionen augeschaltet hatte, habe ich die gefahrenen Routen erst im Nachhinein manuell digitalisiert. Eine Möglichkeit das Stromversorgungsproblem zu lösen, wäre mittels Installation eines USB-Ladegeräts via Nabendynamos.
Auswählen des Übernachtungsplatzes
Mein Ziel war es so oft wie möglich in der Hängematte zu schlafen, da es eine flexible, maximal günstige und meistens auch legale Art ist zu übernachten. Oft gibt es sogar in oder unweit von Städten gute Campingplätze, wo man spontan, legal und für wenig Geld in der Stadt übernachten kann. Meistens habe ich mir auf Locus Map optimal gelegene Wälder herausgesucht in denen ich dann übernachtete, was sehr gut funktionierte.
Entdecken von Natur und Kultur
Mit dem Fahrrad ist meines Erachtens das Gleichgewicht von zurückgelegter Strecke und dabei noch mitgenommenem Eindruck der Natur (Gerüche, Temperatur, Feuchte und natürlich die Optik) relativ optimal. Man kann auch schnell mal kurz anhalten um sich ein wunderschönes Örtchen genauer anzuschauen, sich beim Bäcker aka „Boulangerie“ eine kleine süße Zwischenverpflegung zu gönnen, oder die kleinen Gässchen einer Stadt zu erkunden.
Treffen von interessanten Leuten
Mir ist auf der Reise aufgefallen, dass begeisterte Fahrradfahrer einander oft gerne weiterhelfen, auch wenn man sich nicht kannte (vor allem in Frankreich). So habe ich insgesamt drei Nächte bei zufällig getroffenen Fahrradfahrern in deren Zu Hause übernachten dürfen. Es waren unglaublich schöne Erfahrungen, nicht zuletzt wegen der teils schon lange ersehnten Dusche, aber hauptsächlich wegen der bereichernden Unterhaltungen (inkl. Routentips, tollen Fotos, Tips)..
Die gute alte Komfortzone
Eines Abends habe ich ein perfektes kleines Waldstück gefunden und war kurz davor meine Hängematte aufzubauen als ich einige im Wald verstreute umgedrehte Plastikboxen entdeckte. Ich konnte es nicht lassen und habe eine der Boxen vorsichtig vom Boden angehoben. Darunter kam ein totes kleines Wildschwein zum Vorschein, worauf ich mich dann kurzum für ein anderes Waldstück umgeschaut habe.
Als ich die Reise in Hannover begann, war ich voller Vorfreude, Motivation und Energie, was nachvollziehbar ist. Allerdings ist es auch eine ungünstige Mischung für ein vernünftiges und nachhaltiges Fahrverhalten. So musste ich am vierten Tag meiner Reise starke Knieschmerzen feststellen und musste einen Tag Pause einlegen. Die Ungewissheit ob sich die Schmerzen verflüchtigen und ob ich die Reise noch fortsetzen kann, waren schwer erträglich. Glücklicherweise konnte ich wieder weiterfahren, und glücklicherweise habe ich daraus gelernt und konnte so mein ideales Tempo für die restliche Reise finden.
Ebenfalls am vierten Tag musste ich schmervoll feststellen, dass meine guten Clément Reifen auch nur normale Reifen sind, die bei nassem Untergrund und zu hoher Geschwindigkeit in einer Kurve zu rutschen beginnen. Ich hatte dann die ganze Reise (und danach) mit dem optimalen Pflegen der Wunden zu kämpfen, was nicht immer einfach war (vor allem bei Wunden an ungünstigen Orten).
Fazit
Diese Art des Reisens war neu für mich aber hat mir sehr viel Freiheit gegeben. Natürlich musste ich die Regeln meines Körpers, meines Fahrrads und der Natur (und teilweise auch des Gesetzes) einhalten. Aber es gibt einem sehr viele Möglichkeiten die schönen Orte zu erkunden, nette Leute zu treffen und auch einfach mit sich selber zu sein und das Fahrradfahren zu genießen. Und Locus Map war wirklich ein tolles hilfreiches Tool für meine kleinen Abenteuer.
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1 Comment
Stromversorgung: alternativ zum Solarpanel und viieel effektiver und leistungsfähiger ist ein Nabendynamo (SON28 optimal) kombiniert mit dem Vorumslader V5 (siehe WEB). Der V5 ist ein für Radfahrer optimierter Lader, der am Dynamo angehängt wird und einen extrem hohen technischen Stand hat (Ladewirkungsgrad ist beeindruckend, ebenso die radfahrpraktische Auslegung des Laders).
Schriftgröße und Größe der Kartensymbole kann man in Locus individuell einstellen. Höhenlinien enthalten praktisch alle nutzbaren Karten (vector und pixel). Höhenlinen kann man auch anschalten oder abschalten, je nachdem, ob man im Wander- oder Radmodus unterwegs sein will.
Das Aufzeichnen des gefahrenen Tracks während der Fahrt kann man stromsparend durchführen, wenn man das Gerät mit gestartetem tracking ausschaltet. Das tracking läuft dann im Hintergrund weiter, sofern man das in den Einstellungen von Locus auch so eingestellt hat. Wesentlich ist dabei, dass das Display ausgeschaltet ist. Mit meinem S7 kann ich mit einer Akkuladung dann gut 10 Stunden ununterbrochen aufzeichnen.
Orthopädische Ausfallerscheinungen (Knieschmerzen etc.) kann man ggf. vorübergehend mit dem cox-2-Medikament Arcoxia (60/90/120) beheben. Im Gegensatz zu den (üblichen cox-1) sind die neueren cox-2 zwar teuerer, aber in der Wirkung schmalbandiger und treffsicherer und in den Nebenwirkungen entsprechend schonender.
Gruß und weiter viel Freude beim Radfahren.